Ein Besuch im Val Verzasca – das ist wie Liebe auf den ersten Blick. Smaragdgrünes Wasser bahnt sich seinen Weg durch karge Felsformationen. In dieses Intermezzo reihen sich kräftig grüne Pflanzenwelten ein. Zweifelsohne ist das Val Verzasca nicht nur einer der bekanntesten, sondern auch einer der schönsten Orte des Schweizer Kantons Tessin. Denn hier verspricht das Verzascatal weit mehr als atemberaubende Panoramablicke.
Ein Paradies für Wandersleute
Längst ist das Valle Verzasca zu einem der beliebtesten Wanderparadiese am Lago Maggiore avanciert, das seine Besucher auf Schritt und Tritt mit fantastischen Aussichten belohnt. Von einer spektakulären Bergkulisse umrandet, ist das Val Verzasca heute die Heimat vieler kleiner Dörfer. Inmitten der bis zu 2.400 Meter hohen Berge reihen sich die lieblichen Dörfchen wie an einer Perlenkette aneinander. Außerdem verlaufen Gipfel und Übergänge in benachbarte Seitentäler, auf denen Wanderer das Verzascatal Pfad für Pfad erkunden können. Einige dieser Wanderpfade sind mehr, andere weniger anspruchsvoll. Deshalb sind Besucher gut beraten, sich bereits im Voraus über die Besonderheiten einzelner Wanderwege zu informieren. Doch wer gut vorbereitet in die Wandertour in Richtung Val Verzasca startet, wird vermutlich überhaupt nicht mehr aus dem Staunen herauskommen.
Der Fluss Verzasca glänzt im kristallklaren Smaragdgrün
Durch das Tal fließt der gleichnamige Fluss Verzasca, der in der Nähe von Tenero in den Lago Maggiore mündet. Wer sich unterwegs während einer Wanderung ausgiebig erfrischen möchte, hat gewiss schnell den passenden Platz für eine kleine Abkühlung gefunden. Überall befinden sich Badeplätze, an denen sich Aktivurlauber im smaragdgrünen Wasser der Verzasca erfrischen können. Während einige dieser Badeplätze nur für ein Fußbad geeignet sind, bieten andere Orte sogar genügend Möglichkeiten für einen Tauchgang. Denn in einigen Bereichen ist das tiefgrüne Wasser tatsächlich tief genug, um die glasklare Unterwasserwelt zu erkunden. Der Anblick dieses strahlend grünen Flusses kann nicht lügen. Denn diese Region gleicht einer Märchenwelt.
Die bewegte Vergangenheit des Val Verzasca
Wer sich auf die Pfade des Val Verzasca begibt, erlebt die bewegte Geschichte des Tessins hautnah. Schon vor Jahrhunderten lebten in den Dörfern viele Männer, die es als Saisonarbeiter in mitteleuropäische und norditalienische Industriezentren trieb. Während die Männer auf diese Weise hart ihr Geld verdienten, mussten die daheim gebliebenen Frauen ebenfalls Schwerstarbeit leisten. Sie schufteten entweder auf heimischen Wiesen und Feldern oder verdienten sich ihr Geld am häuslichen Webstuhl. Das 19. Jahrhundert läutete im Verzascatal eine Wende ein. Damals entschieden sich viele Bewohner des Tals dafür, ihre Heimat zu verlassen. Doch heute können sich immer mehr Reisende nicht dem Reiz des Valle Verzasca entziehen. Sie bauen sich durch Zweitwohnungen an diesem Ort eine zweite Existenz auf.
Adrenalinkick beim Bungee-Sprung von einer gigantischen Staumauer
Ein Blickfang auf einer Fahrt in Richtung Val Verzasca ist eine riesige Staumauer, die zu einem Wasserkraftwerk gehört. Mit einer Höhe von 220 Metern und einer Länge von 380 Metern ist diese Staumauer eine der höchsten ihrer Art in ganz Europa. Abenteurer und Extremsportler fühlen sich von diesem Ort magisch angezogen. Denn Urlauber haben diese Staumauer auf der Suche nach dem besonderen Adrenalinkick längst für sich entdeckt. Der einstige Schauplatz des James Bond-Klassikers „GoldenEye“ wird heute von Bungee-Springern heimgesucht, die sich von dieser hohen Mauer in die Tiefe stürzen möchten. Doch dieses Angebot ist erst der Beginn einer Erkundungstour, die Anhänger außergewöhnlicher Sportmöglichkeiten garantiert genießen werden. Denn Wanderer, Taucher und Kletterer entdecken mit dem Valle Verzasca ein kleines Paradies auf Erden.
Geschichtsträchtige Dörfer und imposante Steinbogenbrücken
Außerdem lädt das Val Verzasca zur kulturellen und architektonischen Entdeckungsreise ein. Schließlich zeugen Dörfer wie Corippo von einer Geschichte, die am Lago Maggiore einzigartig ist. Dieses steil an einem Hang errichtete Kleinod steht seit der Mitte der 1970er Jahre sogar unter Denkmalschutz. Nicht weit davon entfernt, zieht die talaufwärts gelegene Steinbogenbrücke Ponte dei Saltri die Blicke auf sich. Auch wenn diese Kontruktion im ersten Moment an ein Bauwerk aus dem römischen Zeitalter erinnert, wurde dieses Bauwerk erst im Mittelalter aufgeschichtet. Seitdem wird die Brücke von Besuchern gern genutzt, um von einer Seite der wilden Verzasca zur anderen zu gelangen.
Auf den Spuren eines Kunstwanderwegs
Wer Kunst und Wanderabenteuer miteinander verbinden möchte, sollte unbedingt nach dem Wanderweg Sentierone Ausschau halten. Dieser Kunstwanderweg ist von zahlreichen Exponaten gesäumt, denen eine Verbindung aus Natur und Kunst gelingt. Das kunsthistorische Herz des Valle Verzasca schlägt jedoch in Brione. Denn hier überrascht die Pfarrkirche Santa Maria Assunta mit einer Vielzahl spannender Details. Dieses im Stile Giottos angefertigte Gotteshaus beherbergt beispielsweise eine Vielzahl gut erhaltener Fresken, die die Erbauer der Kirche schon im 14. Jahrhundert anfertigten. Für lange Zeit beherbergte der Kirchbau außerdem einen Schnitzaltar eines aus Lindau stammenden Künstlers, der dieses kleine Meisterwerk im Jahre 1502 anfertigte. Heute suchen Besucher nach diesem Altar leider vergeblich. Denn mittlerweile trat der Altar seine Reise ins Schweizerische Landesmuseum in Zürich an.
Sonogno: hier lebten einst „die schwarzen Brüder“
Das letzte Dorf des Val Verzasca ist Sonogno. Nur zur Sommerzeit kehrt in diesem Kleinod etwas Leben ein. Der kulturelle Glanzpunkte dieser verträumten Ortschaft ist das Museo di Val Verzasca, das Besucher in einem altertümlichen Bauernhaus namens Casa Genardini in Augenschein nehmen können. Wer sich über die bewegte Geschichte einstiger Bewohner des Valle Verzasca informieren möchte, findet in diesem Museum gewiss die richtigen Antworten auf offene Fragen. Von längst vergangenen Zeiten berichtet außerdem der Kinderbuchklassiker „Die schwarzen Brüder“. Dieses Werk trägt die Handschrift der Autorin Lisa Tetzner, die zusammen mit ihrem Ehemann nach ihrer Emigration im Jahr 1933 für lange Zeit im Tessin lebte. „Die schwarzen Brüder“ berichtet vom bewegenden Schicksal der Kaminkehrerjungen, die im 19. Jahrhundert als „lebendig gewordene Besen“ vom Val Verzasca nach Mailand verkauft wurden. Dieses Kinder- und Jugendbuch hat bis heute nicht an Aktualität verloren. Denn der Klassiker versteht sich als Appell gegen die Ausbeutung von Jugendlichen und Kinderarbeit. Das Val Verzasca ist ein Ausflugsziel mit vielen Gesichtern. Ob Natur pur oder Geschichte zum Anfassen – das Verzascatal überrascht mit vielen Facetten.